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Romantagebuch – KW40/2024

Es ist wieder Zeit für den wöchentlichen Rückblick. Diese Woche hatte ich auf Grund des Feiertags ein verlängertes Wochenende, was für mich viel stressfreie Schreibzeit bedeutete. Am Donnerstagvormittag habe ich mich ein paar weiteren Seiten der Rohversion gewidmet und am Mittwochabend, sowie dem gesamten Freitag und Samstag, dem aktuellen Schreibschule-Modul mit dem Thema Konflikte.

Mein aktueller Fortschritt nach Kalenderwoche 40.

Auszugsweise möchte ich euch ein wenig über den Lernstoff informieren.

Wunschlos glückliche Charaktere sind für Leser langweilig

Zu Beginn nochmal einer der wichtigsten Punkte, die man beim Schreiben von Romanen immer im Hinterkopf haben sollte: Im Laufe der Geschichte verändert sich die Hauptperson, sie wird mit ihren Defiziten konfrontiert und ist nach der Geschichte eine andere Person wie zu Beginn.

Ein Motor für diese Veränderungen sind Konflikte, die sie dazu zwingen. Es gilt:

Aus dem Gegensatz zwischen dem Ziel einer literarischen Figur und ihren Bedürfnissen ergeben sich notwendig Konflikte. Ihre Figur mit Bedürfnissen muss gezwungen werden, sich zu verändern, um ihr Ziel entweder zu erreichen oder es zu ändern.

So entsteht tragende Spannung.

Da nicht jeder Konflikt einfach aus dem heiteren Himmel heraus entsteht und glaubhaft erscheint, bedarf es bei betroffenen Personen einer vernünftigen Backstory. Sie enthält oft die Ursachen für das Verhalten der Personen und der Konflikte, mit denen sie während der Romanhandlung fertig werden müssen.

Auch ich habe in der Vergangenheit schon für die Hauptfiguren meines Romans eine Backstory erarbeitet. Diese habe ich in Form eines Lebenslaufes festgehalten, den die jeweilige Figur selbst über sich geschrieben hat. Um weiter herauszufinden und festzuhalten, wie eine Figur tickt, habe ich mit meinem Protagonist Rudi Fleuren und dem Antagonisten des Romans jeweils ein literarisches Interview geführt. Anschließend kennt man seine Figuren sehr gut.

Kompromisslos auf die Spitze getrieben, lautet eine der Maxime für tragende Spannung in einem Roman:

Das Trauma der Backstory muss gelöst werden, damit Ihre Figur wachsen kann. Im Roman geben Sie Ihren Figuren keine Chance, auszuweichen. Sie werden sie zwingen, sich dem Leben und seinen Anforderungen zu stellen.

Backstory-Beispiele

Im aktuellen Modul drehte sich eine Aufgabe um das kreative Brainstorming bezüglich Backstory einer Person und daraus resultierendem Verhalten in einer angespannten bzw. konfliktgeladenen Situation. Da ich mich die letzten Male hier im Romantagebuch immer relativ kurz gefasst habe, will ich meine Lösungen zur Aufgabe hier einmal mit euch teilen. Die Aufgabe war:

Denken Sie sich drei beliebige Figuren aus. Welchen Beruf haben sie, wie alt sind sie und was ist ihnen wichtig im Leben? Geben Sie Ihren drei Figuren eine kurze Backstory mit einem traumatischen Erlebnis. Wie könnten sich die Figuren in der folgenden Situation verhalten: Es ist ein Rekordsommer, kein Tag unter 32 Grad, und dazu schwül. Im ICE ist die Klimaanlage ausgefallen und das Bahnpersonal hat nicht ausreichend Wasser für die Fahrgäste an Bord. Es wird nur an Fahrgäste der ersten Klasse verkauft. Gerüchteweise sind schon zwei Personen kollabiert.

Jonas Wagner (35, Feuerwehrmann)

Backstory: Als junger Feuerwehrmann erlebte Jonas einen Einsatz, bei dem ein kleines Kind in einem brennenden Haus ums Leben kam, bevor er es retten konnte. Seitdem verfolgt ihn das Gefühl des Versagens. Er hat sich geschworen, nie wieder jemanden sterben zu lassen, wenn es in seiner Macht steht.

Reaktion: Jonas bemerkt sofort die zunehmende Hitze und Panik der Menschen. Sein erster Instinkt ist es, zu handeln: Er versucht, mit dem Zugpersonal zu sprechen und bittet darum, Wasser gleichmäßig zu verteilen, aber sie sind überfordert und desorganisiert. Während die anderen sich aufregen oder in Resignation verfallen, mobilisiert Jonas die Fahrgäste der zweiten Klasse. Er ermutigt die Menschen, Fenster zu öffnen, improvisiert Fächer aus Zeitungen und ruft Fahrgäste zur Ruhe auf. In seiner Entschlossenheit und dem Drang, Leben zu retten, wird jedoch seine Erinnerung an das verlorene Kind getriggert, und er fühlt die Verantwortung für jeden im Zug. Er ringt mit seiner Angst, wieder hilflos zu sein, aber findet eine Möglichkeit, die Situation zumindest zu mildern, indem er den Zugang zu den Notfallfenstern organisiert, damit Frischluft hineinströmen kann.

Luisa Montano (28, Modedesignerin)

Backstory: Luisa wuchs in einer sehr kontrollierenden Familie auf, in der es kaum Raum für eigene Meinungen oder Freiheiten gab. Ihre Eltern zwangen sie, Jura zu studieren, und erst nach jahrelangen Konflikten konnte sie ausbrechen und ihrem Traum als Modedesignerin folgen. Dieses Trauma des Kontrollverlusts hat sie geprägt, und sie hat sich geschworen, nie wieder fremdbestimmt zu leben.

Reaktion: Als Luisa merkt, dass das Wasser knapp wird und das Zugpersonal die Situation nicht in den Griff bekommt, kocht ihre Wut hoch. Sie hat gelernt, sich durchzusetzen, und sie zögert nicht, ihre Stimme zu erheben. Sie marschiert zum Bordrestaurant und fordert lautstark die Gleichbehandlung aller Fahrgäste, was jedoch auf taube Ohren stößt. Die Ungerechtigkeit der Situation bringt ihre Vergangenheit in ihr Bewusstsein zurück – der Zwang, sich machtlos zu fühlen. Statt sich aber von dieser Wut überwältigen zu lassen, nutzt sie ihren Charme und ihre Überzeugungskraft, um Fahrgäste aus der ersten Klasse dazu zu bringen, Wasser zu teilen. Am Ende organisiert sie eine Art Tauschsystem, bei dem die Ressourcen im Zug möglichst gerecht aufgeteilt werden.

Karl Brunner (54, Steuerberater)

Backstory: Karl hat in seiner Kindheit den plötzlichen Verlust seines Vaters erlebt, was die Familie in finanzielle Unsicherheit stürzte. Als ältester Sohn fühlte er sich gezwungen, Verantwortung zu übernehmen, und entwickelte einen Drang nach Kontrolle und Sicherheit. Die Unsicherheit von damals verfolgt ihn bis heute, und er hat Schwierigkeiten, mit Situationen umzugehen, die nicht vorhersehbar sind.

Reaktion: Als die Klimaanlage ausfällt und das Wasser knapp wird, verfällt Karl zunächst in eine Art Schockstarre. Er versucht, die Ordnung wiederherzustellen, indem er dem Zugpersonal Ratschläge gibt und darauf hinweist, dass sie die Verantwortung haben, sich um alle Fahrgäste zu kümmern – aber ohne Erfolg. Die Unordnung und das Chaos bringen seine innere Angst vor Kontrollverlust wieder zum Vorschein. Schließlich setzt er sich still in eine Ecke, kämpft mit seiner Panik und versucht, alles logisch zu durchdenken. Doch dann sieht er, wie einige Fahrgäste kollabieren, und seine Sorge überwindet seine Furcht. Er beginnt, Fahrgäste zusammenzurufen, um gemeinsam Lösungen zu finden, wie die Hitze gemindert werden kann. Er delegiert Aufgaben und schafft es so, sich seinem Bedürfnis nach Kontrolle zu stellen und gleichzeitig handlungsfähig zu bleiben.

Nächste Woche

In der kommenden Woche werde ich mich der Einsendeaufgabe widmen. In ihr ist gefordert, aus einer vorgegebenen Personenkonstellationen einen Konflikt abzuleiten und in einer Szene aufzulösen. Ich habe mir dabei vorgenommen, eventuelle Erwartungen der Leser zu unterlaufen, indem ich die Rollen im Konflikt anders verteile als man sie beim ersten Lesen eventuell erwarten würde. Ich bin gespannt, ob das klappt. Meine Rohversion werde ich in der kommenden Woche ruhen lassen und mich ein paar handwerklichen Todos aus meinen Notizen widmen (Form- und Absatz-Gepflogenheiten), die mir schon seit längerem auf den Keks gehen.

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