Nachdem ich Anfang der Woche einige Ideen für eventuelle, künftige Projekte generiert und niedergeschrieben hatte (siehe z.B. den vorangegangenen Blogartikel über die Kreativtechnik „Sätze sammeln“), drehte sich der Rest der Woche zum größten Teil um Theorie.
Schulstoff
Ich habe viel Theorie zum „inneren Bedürfnis“ von Hauptfiguren gelesen und zusammengefasst. Drehte sich die Mehrzahl der bisherigen Module um die Handlung und den Plot, so wurde nun nochmal die Bedeutung des inneren Antriebs und der Grundängste der Figur herausgestellt:
Damit eine Figur ihr wahres inneres Bedürfnis erfüllen kann, muss sie ihre Grundangst überwinden.
Damit einher geht eine Weiterentwicklung der Figur spätestens beim Abschluss der Geschichte. Sie ist nicht mehr dieselbe wie zu Beginn der Geschichte. Kleiner Exkurs: Genau das ist aus meiner Sicht vor allem in deutschen Film- und Fernsehproduktionen ein massives Problem – es findet bei den Figuren keine Entwicklung statt. „Die Leute“ wollen ihre immer gleichen Tatort-Kommissare, ihre gewohnte Traumschiff-Besatzung, etc. pp. – aber das soll hier keine Wutrede werden…
Ich habe für mich mitgenommen, dass das Motto für mindestens alle Hauptfiguren lauten sollte: Stell dich deiner größten Schwäche oder Angst, denn nur so kannst du Erfüllung finden. Damit dies möglich ist, muss man sich als Autor natürlich über das Innenleben seiner Figuren im Klaren sein. Was dabei helfen kann, sind Dinge wie ein Figurenfragebogen oder ein biographisches Interview. Letzteres habe ich vor einigen Monaten schonmal für meinen Hauptcharakter Rudi Fleuren erstellt; es stellte sich gar nicht mal als so einfach heraus, ein realistisches und nachvollziehbares Bild zu erzeugen. Eine sehr gute Inspirationsquelle für tiefgreifende, persönliche Fragen ist Max Frischs „Fragebogen“, der vielen vermutlich noch aus dem Deutschunterricht bekannt ist.
An sogenannten emotionalen Umschlagpunkten werden in der Handlung die inneren Ängste und Antriebe offenbar; der Leser sollte dann nachvollziehen können, warum die Hauptfigur tut, was sie tut. Bestenfalls ist der Autor dem Leser keine Erklärung schuldig, da er sich alles aus der Figur selbst herleiten kann.
Hat im Laufe des Romans eine Entwicklung stattgefunden, so stellen gute Romane eine Verbindung zum Anfang der Geschichte dar:
Das letzte Bild enthält die aktuelle Aussage zum inneren Thema der Hauptfigur, welches zu Beginn dem Leser dargelegt wurde (vgl. Vertrag mit dem Leser).
Probleme mit meiner Nebenhandlung
Ich hatte mir außerdem vorgenommen, eine größere Szene zur Auflösung einer Nebenhandlung des Romans zu planen (insgesamt verfolge ich eine Haupthandlung und zwei nebenläufige Handlungsstränge). Ich trete dort allerdings auf der Stelle… ich habe diverse Ideen, die ich aber alle zu gezwungen oder konstruiert finde. Ich habe auch noch keine richtige Idee, wie ich das umgehen soll oder besser mit der Gesamthandlung in Einklang bringe. Aber ich war zum Wochenende auch ein wenig krank und ggf. nicht ganz bei der Sache.
Aktuell überlege ich der Regel „Kill your darlings“ zu folgen und große Teile des Handlungsstrangs aufzugeben und neu zu schreiben. Wenn man erkennt, dass es nicht sinnvoll weiter gehen kann, dann ist das die wohl vernünftigste Methode. Wegschmeißen werde ich den Text natürlich nicht: Er wandert für alle Fälle einfach ins Archiv.
Wochenplanung
Die kommende Woche steht ganz im Zeichen der letzten Hausaufgabe dieses „Semesters“. Es werden 7.000 bis 10.000 Zeichen gefordert in einer Szene, die von einem emotionalen Umschlagpunkt der Hauptfigur handelt. Und natürlich Notizen zur vorherigen Planung. Ich werde versuchen, diese Aufgabe mit einem neuen Ansatz zu meiner entsorgten Nebenhandlung anzugehen. Ich weiss nur noch nicht, ob ich Rudi dort neue Hoffnung geben oder ihn in die Verzweiflung stürzen soll…
Ich habe ziemlichen Respekt vor dieser Aufgabe; ggf. wird sie auch mehr als diese eine Woche in Anspruch nehmen.