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Das erste Mal Wahlhelfer

Ich war am vergangenen Wahlsonntag zum ersten Mal als Wahlhelfer bei einer Wahl dabei. Neben dem Eintritt in eine Partei, mit dem ich schon einige Monate liebäugle, schien mir dies ebenfalls eine gute Möglichkeit zu sein, Dinge und Strukturen besser kennenzulernen, über die ich bisher höchstens passiv Eindrücke gesammelt habe. Ich habe mich also Mitte Januar freiwillig über die Webseite der Stadt Duisburg gemeldet und hatte wenige Tage später postalisch die entsprechende Einberufung vorliegen.

Meine Rolle

Ich hatte dabei die Möglichkeit, meine bevorzugte Rolle am Wahltag anzugeben. Beisitzer, Schriftführer und Wahlvorsteher bilden zusammen den Wahlvorstand. Da es mein erstes Mal als Wahlhelfer sein würde, habe ich mich für die Rolle als Beisitzer ausgesprochen. Diese habe ich auch zugeordnet bekommen. Insgesamt waren wir zwei Wahlvorsteherinnen (Vorsteherin plus Vertretung), eine Schriftführererin mit ihrem Vertreter und fünf Beisitzer und Beisitzerinnen. Meine Aufgabe als Beisitzer bestand neben der gemeinsamen Vorbereitung des Wahlraums und der Auszählung der Stimmen darin, den korrekten Wahlablauf zu beobachten und sicherzustellen, Wahlzettel auszugeben und Schriftführer und Vorstand bei manchen Aufgaben zu unterstützen.

Bei mir im Wahllokal waren etwa die Hälfte der Wahlhelfer Angestellte der Stadt Duisburg, die andere Hälfte hat sich freiwillig gemeldet. Wenn sich in einem Wahlkreis nicht genügend freiwillige Wahlhelfer melden, so wird häufig auf Angestellte und Beamte der Stadt zurückgegriffen. Bei der Tätigkeit des Wahlhelfers handelt es sich um ein sogenanntes „verpflichtendes Ehrenamt“, das heisst, das eine Einberufung nur mit triftigen Gründen abgelehnt werden kann. Man bekommt für den Tag lediglich ein Erfrischungsgeld, was je nach Rolle und Teilnahme an Schulungen zwischen 50 und 80 Euro variiert. Ich habe jedoch von den Kollegen, die von der Stadt kommen, gehört, dass diese durch ihre Teilnahme 12 bis 18 Überstunden gutgeschrieben bekommen. Das ist mehr als ordentlich, finde ich. Außerdem habe ich gelernt: Wahllokale in denen erfahrungsgemäß wenig los ist, sind wohl vor allem bei Lehrern beliebt, da sie dort dann in Ruhe Schularbeiten korrigieren können.

Vorbereitung am Wahlmorgen

Mein Tag begann um 07:15 Uhr vor dem Gebäude des Wahllokals. Durch Blickkontakt mit dort noch wildfremden Menschen hatte man sich dann gegenseitig innerhalb kürzester Zeit als Wahlhelfer identifiziert. Gegen 07:30 Uhr traten wir dann in die Räumlichkeiten: Ein Veranstaltungssaal des örtlichen Seniorenheims. Wir fanden einen bereits mit Tischen, Stühlen, Urne und Sichtschutz ausgestatteten Raum. Ebenfalls wurden uns frischer Kaffee, Tee und Sprudelwasser in großen Mengen bereitgestellt. Dies ist, wie ich in Unterhaltungen erfahren habe, keinesfalls repräsentativ und wirklich positiv hervorzuheben. Es wurden auch schon Erfahrungen mit abgeschlossenen Gebäuden, fehlenden Möbeln und unbeheizten Räumen gemacht.

Alle Wahlhelfer, neun an der Zahl, waren um 07:30 Uhr vor Ort und wir konnten mit dem Ausschildern des Wahllokals, dem Aufhängen der Aushänge, der Prüfung und Versiegelung der Wahlurne, etc. beginnen. Interessant fand ich, dass unsere Schriftführerin und eine Beisitzerin als einzige Personen schonmal als Wahlhelfer aktiv waren. Die Wahlvorsteherin hatte sogar erst vor wenigen Tagen Bescheid bekommen, da es wohl Ausfälle zu beklagen gab. Ohne die beiden erfahrenen Kolleginnen wäre der Tag aus meiner Sicht nicht so reibungslos verlaufen. Was ich übrigens auch nicht wusste: Der Wahlkoffer mit den Unterlagen (Stimmzettel, Wählerverzeichnis, Umschläge, Siegel, etc.) wird am Vortag zu den Wahlvorstehern nach Hause geliefert , die dann zur Prüfung der Vollständigkeit angehalten sind, die sie telefonisch bestätigen müssen. Für diese Rolle beginnt die Arbeit also schon am Vortag. Für die Rolle des Wahlvorstehenden und des Schriftführers werden übrigens explizit Schulungen angeboten. Mir als Beisitzer stand eine gut gemachte Videoreihe mit Erklärungen zur Verfügung.

Nachdem alle Vorbereitungen getroffen wurden und alle Wahlhelfer ihr Okay zum einwandfreien Zustand des Raumes und der Wahlurne gegeben hatten, konnten wir den Wahlraum pünktlich um 08:00 Uhr öffnen.

Erfahrungen vom Tag

Bei der Wahl handelte es sich übrigens um die Bundestagswahl 2025. Ich schreibe das deshalb, da es für einen erschreckenden Großteil der Wählerinnen und Wähler an diesem Tag gar nicht so klar zu sein schien, was denn hier gewählt wurde. Das war für mich in der Anzahl durchaus erschreckend. Ebenso wie ein paar andere Beobachtungen.

Zum Beispiel, dass ebenfalls nicht wenige Leute sich erkundigen mussten, wieviele Kreuze sie denn so machen dürften, wenn sie „für mehrere“ seien. Oder etwa wo sie denn nun unterschreiben müssten auf dem Zettel. Für sehr viele Leute schien auch das Konzept der Urnenwahl fremd zu sein. Sie wussten nicht wohin mit ihrem Wahlzettel.

Auch der Grundsatz einer geheimen Wahl scheint sich noch nicht überall herumgesprochen zu haben. Viele Leute wollten sich offen hinsetzen oder mit ihrem Rollator in der Mitte des Raumes platzieren und begannen den Stimmzettel auseinanderzufalten – mehr als einmal mussten wir Personen aktiv hinter den Sichtschutz bitten. Viele Leute gleichzeitig kamen aber sowieso nicht, sodass dies zumindest nicht in Stress ausartete.

Apropos wenige Leute: Auch wenn wir uns mit den Pausen großzügig abgestimmt hatten (eine gewisse Zahl von Personen mit den jeweiligen Rollen müssen jederzeit im Wahlraum sein), hat sich die Zeit extrem gezogen – Hauptgrund: Es was einfach nichts los. Am Ende kamen wir bei uns auf eine Wahlbeteiligung deutlich unter 30%. Ebenfalls eine erschreckende Erkenntnis. Aber im Bundesvergleich zum Glück ein Ausreisser.

Ebenfalls überraschte mich die Tatsache, wie mitteilungsbedürftig die Wählenden waren. Manche rechtfertigten sich regelrecht für ihre Wahl während sie den Zettel in die Urne warfen. Hasstiraden oder, dass wirklich Personen laut wurden, haben wir aber nur zweimal erlebt und die Personen ließen sich entsprechend auch handhaben. Massive politische Fehlinformation war bei der Mehrheit zu spüren. Auch wenn innerlicher Groll bei mir aufkam, war es dann doch relativ einfach sich zurückzuhalten, zu lächeln und den Leuten bestimmt noch einen schönen Tag zu wünschen. Eine Person erkundigte sich auffallend forsch nach dem Zeitpunkt der Auszählung. Zu dieser eingeladen (beim Auszählen der Stimmen kann jeder Zuschauen, der will), ist er aber am Ende dann nicht aufgetaucht (niemand Aussenstehendes kam dazu).

Der letzte Punkt, den ich erwähnen will, ist die plumbe Masche, mit denen man scheinbar wirkungsvoll auf Stimmenfang, gerade bei älteren Menschen, gehen kann. Gefühlt erzählte uns jede vierte Person, welch „eine tolle Kaffeeveranstaltung die Partei XYZ vorgestern hier gemacht“ hätte und dass „Herr XYZ sogar persönlich den Kuchen an die Tische gebracht hat […] stellen Sie sich das mal vor“. Das scheint zu wirken. Erschreckend – macht mich gar ein wenig sauer, dass so eine politische Meinungsbildung funktioniert. Andererseits ggf. auch besser als die Leute, die beim Gang hinter den Sichtschutz den Eindruck vermitteln, zum ersten Mal die Namen der Parteien zu sehen.

Auszählung und Abschluss

Nachdem zwei Minuten vor 18 Uhr noch eine letzte Person gewählt hatte, konnten wir uns an die Auszählung machen. Diese geschieht mehrfach und nach einem bestimmten Vorgehen, was man einfach im Internet nachlesen kann. Durch unsere beiden erfahreneren Kolleginen wurden wir durch den Prozess geleitet.

Eine Vermutung, die ich vorab hatte, war, dass wir bestimmt auf viele ungültige Stimmzettel treffen werden. Dies war tatsächlich nicht der Fall. Es gab einen unklaren Fall, den wir dann nach gemeinsamer Abstimmung (so ist das vorgesehende Verfahren) für ungültig erklärt haben (der Wählerwille war nicht eindeutig erkennbar) und einen Fall, der absichtlich mit Schmierereien ungültig gemacht wurde. Da war ich positiv überrascht.

Was nochmal ein besonderer Realitätscheck ist, ist wenn man selbst die Stimmen auszählt, die für (aus eigener Sicht) unwählbare Parteien gegeben wurden. Kann einem die Laune verhageln, wenn bestimmte Stapel immer größer werden.

Insgesamt war die Auszählung am Ende ganz klar der spannendste Teil des Tages. Die gesamte Wichtigkeit des Unterfangens – auch schon den ganzen Tag über – war spürbar und spannend. Von der Erleichterung, wenn die Summen alle aufgehen und man nicht nochmal zählen muss, über den Anruf bei der Stadt für die erste Schnellmeldung der Ergebnisse, bis hin zum Abpacken und Versiegeln aller Stimmzettel für den Transport samt Unterschrift von uns allen.

Außerdem war unsere Truppe echt nett. Nicht nur altersmäßig, sondern auch was den beruflichen Background angeht, waren wir sehr unterschiedlich. Von 22 bis 65, von Kindergärtnerin, Städteplaner, Studentin bis hin zum ITler (ich war nicht der einzige) waren wir sehr heterogen aufgestellt. Die Mehrheit von uns hat sich am Ende auch in die „Dreamteam“-Tabelle der Stadt eingetragen. Damit plädieren wir dafür, bei der nächsten Wahl wieder in dieser Konstellation in diesem Wahllokal eingeteilt zu werden. Ich freu mich :).

Fazit

Insgesamt hat es mir ein gutes Gefühl gegeben, die Wahlen auf diese Weise zu unterstützen – beim nächsten Mal kann ich mir auch die Rolle des Schriftführers oder des Wahlvorstehers vorstellen. In jedem Fall hat mich der Tag zum nachdenken gebracht und in mir den Wunsch erzeugt, irgendwie mehr politische Bildung dort zu verbreiten, wo es nötig ist. Wie ich das mache? Das lasse ich mir die nächsten Wochen mal durch den Kopf gehen :).

Published inUnterwegs