Die vergangenen Tage standen ganz im Zeichen meines kleinen “Schocktober”-Experiments. Die Geschichte, die daraus entsteht, wächst und gedeiht langsam. Und das auf eine Art, die ich so bisher nicht kannte. Normalerweise schreibe ich im Verborgenen, lasse Texte liegen, überarbeite sie, nehme Abstand und kehre zurück. Diesmal ist alles anders: Vom Schreiben bis zur Veröffentlichung vergeht kaum Zeit. Das bedeutet, die Geschichte entsteht quasi „live“, direkt am Leser. Und das verändert meinen Schreibprozess spürbar. Vorgestern ist das vierte Kapitel online gegangen; Leser wissen, was es mit dem Titelbild des dieswöchigen Schreibtagebuch-Eintrags auf sich hat ;-).
Ich merke, wie unmittelbar ich auf meine eigene Stimmung reagiere, wie stark die Tagesform Einfluss nimmt und wie unterschiedlich dadurch die Tonalitäten der Kapitel werden. Manche Passagen sind leise und atmosphärisch, fast ausufernd und andere direkter. Es ergibt sich eine spannende Mischung, die vielleicht nicht immer ganz gleichmäßig wirkt, aber gerade dadurch lebendig ist. Für mich fühlt sich das an, als würde ich die Geschichte gleichzeitig entdecken und erzählen. Ohne Sicherheitsnetz, ohne großen Plan. Nur mit einem Gefühl für Richtung, Stimmung und Figuren.
Mittlerweile weiß ich zumindest grob, wohin die Handlung gehen soll. Die Struktur verdichtet sich und die Handlung wird stringenter. Das gibt mir Sicherheit, ohne dass der Reiz des Unbekannten verloren geht. Ich glaube, dieser spontane Entstehungsprozess hat mir gezeigt, wie viel Energie im direkten Erzählen steckt, wenn man sich traut, Kontrolle ein Stück weit abzugeben.
Trotzdem freue ich mich darauf, in der kommenden Woche wieder stärker zu meinem Romanprojekt zurückzukehren. Das Tempo dort ist ein anderes. Ruhiger, konzentrierter, analytischer. Aber ich nehme die Energie aus dem Schocktober-Schreiben mit: Das Gefühl, mitten im Fluss zu sein, Worte nicht zu erzwingen, sondern sie passieren zu lassen. Vielleicht ist das die wichtigste Erkenntnis dieser Woche.
