Dunkle Geschichte erspielen

Paintbucket Games mausert sich zu einem meiner liebsten, deutschen Spieleentwickler! Nach Through the Darkest of Times – einem Serious Game, das den Widerstand gegen das NS-Regime während des zweiten Weltkriegs erlebbar machte – bleiben die Entwickler ihrer Linie treu und führen in The Darkest Files die Reihe konsequent weiter. Es ist der geistige Nachfolger: Statt den Blick auf mutige Widerstandskämpfer während des Krieges zu richten, widmet es sich der mühseligen Aufarbeitung in der Nachkriegszeit. Die 1950er-Jahre: Viele Täter laufen noch frei herum, während das Land sich lieber dem Wirtschaftswunder widmet, als die eigene Schuld zu hinterfragen.

In The Darkest Files übernimmt man die Rolle der Staatsanwältin Esther Katz, inspiriert von Fritz Bauer (der ebenfalls als ihr Chef im Spiel auftaucht) – dem Mann, der maßgeblich dafür verantwortlich war, NS-Verbrechen wieder vor Gericht zu bringen. Über ihn wusste ich zuvor erschreckend wenig. Kein einziges Mal wurde er damals in der Schule im Geschichtsunterricht erwähnt. Doch hier, beim Sichten von Akten, beim Befragen von Zeugen, beim mühsamen Zusammenführen von Beweisen, begreift man seine unermüdliche Beharrlichkeit und kann die Widerstände erahnen, denen er sich gegenübersah. Das Spiel vermittelt, dass der Kampf um Gerechtigkeit noch viele, viele Jahre die Justiz beschäftigte.

Gameplay-technisch erinnert das Spiel an eine ernste Variante von Ace Attorney – nur ohne Humor, dafür mit viel Gewicht. Man sichtet Dokumente, konfrontiert Zeugen, deckt Widersprüche auf und nutzt Beweise, um Täter zu überführen. Besonders spannend ist das „Blueprint“-System: Man rekonstruiert Tathergänge visuell, indem man drei Beweise miteinander verknüpft, um die Wahrheit ans Licht zu bringen. Es ist ein forderndes System, das echtes Nachdenken verlangt, manchmal aber auch frustrieren kann, wenn man einer falschen Spur folgt und erst spät merkt, dass man in einer Sackgasse steckt. Ich musste mich beim Spielen stark konzentrieren, denn wie in echt sind Zeugenaussagen nicht konsistent oder Erinnerungen verschoben – wenn man Akten vor einer Befragung nicht ordentlich gesichtet hat, verpasst man vermutlich Chancen, Zeugen und Tatverdächtige mit Informationen zu konfrontieren oder zu stützen.

Die Inszenierung ist so zurückhaltend wie eindringlich. Ein reduzierter, fast schon dokumentarischer Comic-Stil in düsteren Blautönen fängt die Stimmung der Nachkriegsjahre ein – nicht Friede-Freude-Eierkuchen, aber dennoch hoffnungsvoll in die Zukunft blickend. Erinnerungssequenzen laufen in Schwarzweiß und Rottönen ab, als hätte man alte, teilcolorierte Filmrollen – oder das Vorgängerspiel, was genau auf diese Farben gesetzt hat! – vor sich. Nichts lenkt ab, nichts wirkt verspielt – es geht um die Geschichte, nicht um Effekte. Die englische Vertonung ist solide, wenn auch nicht immer ideal, die deutschen Untertitel geben die Stimmung gut wieder.

Was The Darkest Files von anderen narrativen Spielen unterscheidet, ist dieser bewusste Minimalismus. Es gibt nur zwei Fälle, die in fünf bis zehn Stunden abgeschlossen sind. Das ist kurz, aber – wenn man sich auf die Fälle einlässt – sehr intensiv. Mehr Features und Mechaniken hätte man ggf. einbauen können, aber sie hätten den narrativen Fokus verwässert. Das Spiel will nicht ausschmücken, sondern aufklären. Es freut mich sehr, dass die Entwickler in einem Interview davon sprachen, weitere Fälle z.B. als DLCs zu veröffentlichen.

Die Fälle sind übrigens echten Fällen von Fritz Bauer nachempfunden und wurden nur in einigen Aspekten für einen besseren Spielfluss angepasst, ohne den Kern zu verwässern.

Technisch läuft es stabil. Kleinere Bugs – hin und wieder nicht ausgelöste Quicktime-Events oder kleine Unstimmigkeiten in der Abfolge – trüben das Erlebnis kaum. Die Navigation zwischen Büro, Ermittlungsmap und Gericht ist schlicht, manchmal etwas repetitiv, aber funktional.

Holt euch dieses Spiel und unterstützt die Macher – es muss noch viel mehr solcher Spiele geben! Wer sich erst einen Eindruck verschaffen will, dem empfehle ich dieses Let’s Play von Steinwallen.