Dieser Artikel kann Spoiler zur Reiseroute der Investigatoren enthalten.
Ich leite nun seit drei Jahren mit meiner Runde die legendäre Call of Cthulhu-Kampagne „Masken des Nyarlathotep“, und wir befinden uns aktuell im Ägypten-Kapitel; das sechste Land, was meine Spieler bereisen. Höchste Zeit also für einen Zwischenbericht – nicht nur für mich, sondern auch als Rückblick für all jene, die sich vielleicht ebenfalls an dieses Mammutwerk wagen möchten.
Von Königsdämmerung zu globalem Wahnsinn
Zuvor hatten wir „Königsdämmerung“ gespielt – eine tolle, epische Kampagne, die allerdings deutlich kompakter gestrickt ist. Masken hingegen ist ein ganz anderes Kaliber: Investigativer, verzweigter, brutaler – und auch ein gutes Stück fordernder, sowohl für die Spielleitung als auch für die Spieler. Es ist die zweitumfangreichste offizielle Kampagne des Spiels (nach „Berge des Wahnsinns“). Es ist auch die vielleicht erinnerungswürdigste Geschichte, die man in Call of Cthulhu erleben kann.
Die Weltreise – ein Spiel im Spiel
Was Masken auszeichnet, ist nicht nur die tiefe Verwobenheit der Spuren, sondern auch der Aufbau als Weltreise-Thriller. Meine Ermittler – Dr. Jacob Wones, Prof. Alfred Goslott, Schwester Beata und Seymore Callaghan – haben sich auf eine Odyssee begeben, die sie von Peru, nach New York über London, Shanghai, Australien bis nach Ägypten geführt hat. Überall stießen sie auf andere Fragmente eines globalen Kultes, der in allen Sprachen dasselbe Ziel verfolgt: Die Rückkehr des Kriechenden Chaos.
Wir spielen mit der limitierten Deluxe-Version von Pegasus (Crowdfunding sei Dank) und haben daher auch Zugriff auf eine komplette Kiste von Handouts, Props, Karten, Zusatzinfos, etc. – so wird der Größe und Komplexität der Kampagne nochmal richtig Rechnung getragen. Wir spielen in unserer Gruppe zu über 95 Prozent physisch am Spieltisch – auf Grund der vielen Props, Handouts, Karten, etc. kann ich mir das auch ehrlicherweise gar nicht mehr anders vorstellen – zuviel Atmosphäre würde verloren gehen.
Was „Masken“ von anderen Kampagnen unterscheidet
- Komplexität: Es ist kein Abenteuer – es ist ein investigativer Albtraum mit über 100 NSCs, mehreren Ländern und Zeitebenen und parallelen Geschehnissen.
- Offenheit: Die Kampagne ist modular aufgebaut – man kann Orte überspringen oder in anderer Reihenfolge spielen.
- Wahnsinn als Motor: Es geht nicht darum, alles zu „gewinnen“, sondern den Schaden zu begrenzen.
Was Masken mir abverlangt hat, ist vor allem konditionierte Improvisation: Ich musste ständig flexibel bleiben, aber dennoch die roten Fäden in der Hand halten. Die Kampagne ist kein Schienensystem – die Spieler entscheiden, wohin es geht. Und es gibt selten klare „Erfolge“. Stattdessen: Moralische Grauzonen, tragische Verluste, rätselhafte Offenbarungen.
Ich habe außerdem gelernt: Geduld ist zentral. Masken entfaltet sich langsam – aber wenn es zuschlägt, dann mit voller Wucht. Handouts sind Gold wert. Karten, Briefe, Zeitungsausschnitte – all das macht die Spurensuche greifbarer.
Atmosphäre schlägt Action. Die spannendsten Szenen waren keine Kämpfe, sondern Gespräche in Hinterzimmern, das Infiltrieren von Kultstätten und die Erkenntnis, dass man etwas Schreckliches vielleicht zu spät verstanden hat.
Zwischenfazit – lohnt sich „Masken“?
Ja! Wenn man die Geduld, Leidenschaft und das richtige Team dafür hat. Masken ist keine schnelle Kampagne. Es ist ein Langzeitprojekt, das sich nur dann auszahlt, wenn man bereit ist, am Ball zu bleiben und auch als Spieler einen Überblick über die bisherigen Geschehnisse und zusammenhänge behält. Auf Grund der massiven Vorbereitungszeit einer jeden Session (durch den modularen Aufbau der Kampagne und parallele, globale Ereignisse ist das Nachhalten des „global state“ und die individuelle Vorbereitung einer jeden Session enorm zeitintensiv) würde ich das Abenteuer nur mit einer verlässlichen Gruppe spielen, die regelmäßige Termine ernst nimmt. Das tut meine Gruppe, aber ich weiss, dass so etwas sehr selten ist.